Sexueller Missbrauch - Wie schütze ich meine Kinder?

22. Nov. 2022, 20:01 Uhr

GEB-Sitzung am 9. November 2022: Felix Neuper begrüßte für den GEB die Referentin Frau Antitz und Frau Roulands als Vertreterin von Kita Frankfurt. Diese entschuldigte Betriebsleiterin Frau Bischoff, die kurzfristig am Abend verhindert war. Es hatten sich rund 90 Gäste in die Online-Konferenz eingewählt.

GEB-Sitzung: Sexueller Missbrauch

Frau Antlitz stellte zu Beginn verschiedene Definitionen des Begriffs Missbrauch vor, im Weiteren wurde aufgezeigt, wie sich Missbrauch im Verhalten der Kinder äußert, welche Strategien Täter beim Missbrauch und der Geheimhaltung nutzen und wie man die Kinder stärkt, um Missbrauch zu vermeiden. Die Erläuterungen dazu stellte sie im Rahmen ihrer Präsentation vor.

Als wichtigstes Indiz für einen Missbrauch seien starke Verhaltensänderungen beim Kind zu benennen: sonst ruhige Kinder würden laut und aggressiv, aktive Kinder zögen sich zurück, Kinder suchten besonders stark körperliche Nähe oder lehnten diese vehement ab. Werde ein Missbrauch zur Anzeige gebracht, müsse auch bedacht werden, dass die Befragungen durch Polizei oder vor Gericht das Trauma des Missbrauchs verstärken können.

In der Strategie der Täter sei das höchste Ziel zunächst immer die Geheimhaltung. Es werde versucht, das Vertrauensverhältnis zu den Eltern zu stören, um das Aussprechen des Missbrauchs zu verhindern. Im Folgenden werde daran gearbeitet, ein Vertrauensverhältnis zum Opfer aufzubauen und das Kind zu desensibilisieren, indem körperliche Nähe als selbstverständlich etabliert werde. Schließlich werde der Missbrauch als besonderes Geheimnis zwischen Täter und Kind dargestellt und z.T. auch mit Drohungen das Schweigen des Opfers erzwungen. Desweiteren ist Ziel, das Kind emotional zu verunsichern und Schuldumkehr zulasten des Kindes zu betreiben.

Im Rahmen ihres Vortrag erläuterte sie, zur Stärkung des Kindes sei das offene Gespräch zwischen Eltern und Kindern besonders wichtig. Eltern sollten dem Kind immer gut zuhören; häufig sei ein Problem bei sexuellen Übergriffen, dass man zunächst mit Unglauben reagiere. Nur bei entsprechendem Vertrauensverhältnis ergäbe ich Raum, auch problematische Themen vorsichtig anzusprechen zu können. Es sei bei den Gesprächen aber wichtig, dem Kinder keine Angst zu machen. Das Selbstvertrauen der Kinder und ihr Körpergefühl solle gestärkt werden. Auch Sport könne dabei eine wichtige Rolle spielen. In einem guten und offenen Kontakt soll es dem Kind auch möglich sein, selbst entscheiden zu können, was ihm angenehm oder unangenehm ist. Die Eltern zeigten dabei als Rollenvorbilder, welches Verhalten angemessen ist und welche Grenzen eingehalten werden sollen. Ebenso müsse erlernt werden, dass Erwachsene oder ältere Kinder nicht per se im Recht seien, sondern dass das Kind dem eigenen Sicherheitsempfinden vertrauen könne. Den Kindern sollten Gefühle erlaubt werden – auch Wut könne ein Ventil für Missbrauch sein. Es brauche Raum, über eigene emotionale Erfahrungen zu sprechen.

Im Anschluss an den Vortrag wurden verschiedene Fragen von Eltern besprochen, die wir unten zusammenfassen.

Präsentation des Abends zum Nachlesen

Handout und Literaturliste

 

Fragen und Antworten des Abends

 

Grundsätzlich geht man davon aus, dass Freunde, Familie und enge Bekannte dem eigenen und anderen Kindern gegenüber nur das Beste wollen. Wie bzw. woran kann ich bei Kleinkindern einen möglichen Missbrauch feststellen?
Achten Sie als Eltern auf ihr eigenes ungutes Gefühl und nehmen Sie dieses ernst. Beobachten Sie dann genauer die Situationen mit dem Kind und vertrauen Sie Aussagen des Kindes. Ist eine erwachsene Person besonders häufiges Gesprächsthema für ein Kind, kann dies ein Hinweis auf unangemessene Nähe sein.

Wie beurteile ich das Verhalten von Kindern? Gibt es klare Indizien, was gut ist und was nicht? Sollte ich mir Gedanken machen, wenn ein Kind/Jugendlicher immer kleinere Kinder auf dem Schoß haben möchte?
Dazu gibt es keine klaren Regeln. Es kommt auf das Verhältnis zwischen den Kindern und/oder Erwachsenen an. Achten Sie darauf, ob das Kind sich in den Situationen wohl fühlt. Es kommt darauf an, wie viel Kontakt das Kind braucht und möchte. Ein Sitzen auf dem Schoß kann gut sein, sollte aber z.B. nicht gegen den Willen des Kindes gehen. Im Gespräch kann erfragt werden, ob gute Erklärungen für das Verhalten genannt werden können. Und Eltern dürfen auch einen Kontakt zum Kind untersagen, wenn sie kein gutes Gefühl in der Situation haben.

Wie stellt man seinem Kind kindgerechte Fragen darüber, ob etwas passiert ist? Was, wenn das Kind ohnehin wenig zu Hause erzählt?
Es gibt keinen eindeutigen Weg. "Ist Dir einmal jemand zu Nahe gekommen?", kann eine gute Frage sein, die nicht zu forsch wahrgenommen wird. Das Kind sollte keinem Druck ausgesetzt werden. Besser ist es, dem Kind eine vertrauensvolle Situation bieten und sich mit ihm auszutauschen. Dieser Austausch muss aber in der Erziehung schon im Vorfeld stattfinden. Auch Verhaltensänderungen können Ausdruck des Kindes sein, der gut eingeschätzt werden muss.

Ich sage meinen Kids immer mal wieder, dass niemand Penis oder Vagina berühren darf! Ist das richtig?
Ja, das ist richtig und kann so gemacht werden. Die Eltern dürfen klare Regeln für den Umgang mit Berührungen der Genitalien durch andere festlegen, auch um den Kind einen sicheren Verhaltensrahmen vorzugeben.

Ab wann kann ich meinem Kind ein Stopp-Signal beibringen?
Das geht bereits im Kindergarten-Alter. Für Kinder sollte es klar sein, bei jeder Form von ungewolltem Kontakt selbst Nein sagen zu dürfen. Dies helfe auch, neben sexuellen Übergriffen, körperliche Gewalt abzuwehren.

Was, wenn das Kind das Gefühl schön findet im Genitalbereich angefasst zu werden?
Wenn das Kind es angenehmt fühlt, muss es nicht unterbunden werden. Es sollte aber auf das passende Umfeld geachtet werden. In der Öffentlichkeit können Berühungen als nicht angemessen angesehen werden.

Was ist Doktorspiel, was Missbrauch? Wie erkennt mein Kind den Unterschied?
Doktorspiele sind OK, um den eigenen Körper und auch den Körper anderer zu erkunden - und wenn alle einverstanden sind. Wenn es dabei zu Verletzungen kommt, muss über die Gründe gesprochen werden. Ist das Machtverhältnis der Beteiligten zueinander nicht ausgeglichen, kann ein Missbrauch vermutet werden.

Ein Kind geht durch viele Phasen der Entwicklung, von der Kita, über neue Betreuer zum Wechsel in die Schule. Auch diese ziehen teils starke Verhaltensänderung nach sich. Wie kann man hier zu den angesprochenen Verhaltensänderung differenzieren?
Man muss genau hinschauen und die Ursache der Veränderung ausmachen. Dieser Grund kann zeigen, was dann zu tun ist. Wichtig bleibt es, den Kindern Glauben zu schenken.

Ab welchem Alter sollte man Aufklärungsgespräche mit Kindern führen? Bücher lesen, etc.?
Über gute und schlechte körperliche Gefühle kann man mit Kindern schon sehr früh sprechen. Ab der ersten Klassen können Themen wie Liebe und das "Entstehen der Kinder" besprochen werden, ohne dabei zu sehr ins Detail gehen. Sexulakunde ist in der dritten Klasse sinnvoll.  Tatsächliche sexuelle Handlungen müssen dabei noch nicht Thema sein. Wichtig ist, das Gespräch nicht vor dem Hintergrund einer Gefahr zu suchen, sondern offen und positiv zu sprechen.

Kindergerechte Literatur zum Thema finden Sie in der beigefügten Literaturliste oben.

Ist ein ständig wiederkehrend roten Intimbereich bei Mädchen ein Indiz für sexuellen Missbrauch?
Es kann ein Hinweis sein. Aber es müssen zuvor andere Gründe wie Erkrankungen, Allergien, mangelnde Toilettenhygiene oder unpassende Kleidung ausgeschlossen werden.

Wie hoch ist das Risiko für das Kind wirklich?
Etwa 10 Prozent der Kinder sind von sexueller Gewalt betroffen. Dazu zählen körperliche Berührungen im Intimbereich. Auch ein Sprechen über Sex unter Kindern, das als unangenehm wahrgenommen wird, kann missbräuchlich sein. Ebenso kann der ungewollte Kuss der Großmutter als Missbrauch zählen.

Wenn sexueller Missbrauch von einem Kind ausgeht und dieser an einem anderen Kind ausgelebt wird, welche Wege können Eltern dann gehen? Jugendamt, Kita, Eltern, Pschychologen und Kinderarzt?
Die genannten Anlaufstellen sind alle richtig. Auch die Organisation Wildwasser e.V., Pro Familia und der Kinderschutzbund helfen. Meist sind dabei mehrere Gespräche erforderlich, um die Situation einschätzen zu können. Diese Gespräche finden dann mit den Eltern oder Erzieher/innen statt.

Wie können bei einem Missbrauchsverdacht Beweise gesichert werden, wenn keine Wunden oder ähnliches bestehen und einzig die Aussage des Kindes im Raum steht?
Missbrauch äußert sich bei jedem Opfer anders, es gibt keine bindenden Kriterien, die erfasst werden können. Wichtig ist es, auf Verhaltensänderungen des Kindes zu achten. Diese sollen beobachtet und dokumentiert werden. Dazu kann gehören, dass ein sonst stilles Kind plötzlich oft laut ist oder auch umgekehrt. Alle extremen Änderungen im Verhalten des Kindes sollen genau beobachtet werden, vor allem wenn diese nicht durch andere Faktoren wie Schulstart oder Kita-Wechsel erklärt werden können.

Welchen Einfluss hat die Mediennutzung?
Für Eltern ist es wichtig, eine gute Medienerziehung zu leisten. Das Handy sollte nicht zu früh von Kindern genutzt werden. Es ist wichtig, mit dem Kind im Gespräch zu sein, warum Kontrolle erforderlich ist. Aber auch Apps, die die Nutzung der Handys einschränken, sind wichtig. Der Umgang mit Medien muss angeleitet werden. Klassenchats von Kindern sollten gemeinsam mit den Kindern beobachtet werden.

Informationen über das Ansprechen von Kindern und Jugendlichen durch Täter in Onlinemedien finden sich hier: https://www.klicksafe.de/.

Warum ist die Förderung der Kinder nicht fest in Bildungskonzepte mit eingebaut, um den Selbstschutz der Kinder zu fördern?
Die Kinderzentren nehmen sich der Förderung der Persönlichkeitsbildung an, um diesen Schutz zu ermöglichen. Zudem gibt es für Kinder und Mitarbeiter Materialien sowie Schulungen. Auch wird mit den Kindern immer wieder besprochen, was erlaubt ist und was nicht.

An wen kann ich mich wenden, wenn ich Missbrauch vermute?
Anlaufstellen finden sich beim Jugendamt, sowie bei Beratungsstellen wie Pro Familia, Wildwasser e.V. oder dem Kinderschutzbund. Bei Unsicherheiten kann das pädagogische Personal in Kitas und Schulen helfen oder man wendet sich an eine psychologische Fachkraft. Daneben stehen Kinderärzte und die Kinderschutzambulanz als medizinische Beratungen zur Verfügung.

Diese Ansprechpartner beraten auch bezüglich polizeilicher Anzeige des Missbrauchs und der Gefahr der erneuten Traumatisierung durch das Auftreten des Opfers als Zeuge.